Ah, die guten Zeiten, als die Weinflasche 1 Liter enthielt, Marmeladengläser ein Pfund, und die Schokoladentafel 100g…
Moment: auch heute noch werden die allermeisten Schokoladen als 100g-Tafeln verkauft. Nur im Premium-Segment wird mit der Menge gespart. Zeit für einen Marktüberblick.
Standard: 100g
Papier, Stanniolfolie, darin eine stückig gegossene, dicke, 100g schwere Tafel Schokolade: das Abziehbild der Schokoladentafel. Im Supermarkt ist 100g auch heute noch die gängige Schokoladengröße – ob Milka, Ritter Sport, Hachez oder Lindt. Seit Einführung des Euros ließen sich die Verbraucherpreise der Schokoladen bereits etwa verdoppeln, dabei weiterhin unter den psychologisch wichtigen Schwellen von 1€ bzw. 2€ halten. Deshalb konnten Mengenreduktionen bislang ausbleiben. Bemerkenswert hingegen, dass auch heute noch einige Hersteller sehr edler Schokolade dem 100g-Format treu bleiben: Bonnat, Pralus, Caffarel beispielsweise; selbst ein neuer und hochpreisiger Hersteller wie Marou produziert in 100g.
100g einer guten Schokolade ist ein schöner Vorrat!
Die 0,7l Flasche: 70g
Weltweit haben Winzer die Umstellung von der 1l auf die 0,7l-Flasche bereits vor Jahren, man möchte sagen Jahrzehnten abgeschlossen – in Deutschland bekommt man noch einfachste Weine in der 1l-Flasche, aber das ist inzwischen eine kleine Nische. Der Mechanismus ist natürlich verlockend: vom Zahlenverhältnis 70:100 her ist nur wenigen bewusst, dass eine zum gleichen Preis wie die vorher 100g schwere Schokolade angebotene 70g-Tafel einer Preiserhöhung von 43% (!) entspricht. Insbesondere da sich Verpackungen optisch so gestalten lassen, dass der Gewichtsunterschied zunächst gar nicht auffällt.
Im Premium-Segment ist 70g bereits Tafelgröße der Wahl einiger der einflussreichsten Hersteller: Valrhona, und Zotter zum Beispiel; auch Michel Cluizel hat vor wenigen Jahren von 100 auf 70g umgestellt. Angenehmer Nebeneffekt des 70g-Formates ist, dass die Schokoladentafeln üblicherweise dünner werden, dadurch einfacher verkostet werden können.
Wahrscheinlich wird der Massenmarkt in den nächsten Jahren nachziehen, um Supermarktpreise noch lange bei den genannten Schwellenpreisen halten zu können. Von einer guten Schokoladensorte sind 70g immer noch so viel, dass man nicht sofort ans Rationieren denken muss.
Apotheke: 50g
Jetzt wird es eng. Von Sonderformaten abgesehen, bieten nur Premiumhersteller, die ihre Schokoladen trotz hohem Grundpreis unter etwa 6€ je Tafel halten wollen, diese als 50g-Tafel an. Hier ist nicht mehr zu vermeiden, dass die verpackte Tafel viel kleiner als „eine Tafel Schokolade“ aussieht – es sei denn, der Hersteller nimmt Enttäuschungen beim Auspacken in Kauf. Amedei, Coppeneur, Beschle, Corallo und Willie’s sind Beispiele für 50g-Tafelhersteller. Lindt verkauft seine 99%ige Schokolade als 50g-Tafel und verpackt diese in die gewohnt große Lindt-Verpackung – mit einer zusätzlichen Umverpackung, die einer Raumstation entliehen sein könnte…
50g Schokolade sind in jedem Fall schnell weg.
Domori: 25g
Mit der radikalsten Lösung des Problems optisch hoher Preise wartete der italienische Hersteller Domori auf. Dank starker Marke gelang es den Italienern, bei den Kunden eine Drittelung der Packungsgröße von 75 auf 25g durchzusetzen – und die Täfelchenpreise dadurch zwischen derzeit etwa €2,80 und €5,00 zu halten, immerhin rund €11 bis €20 für 100g der feinen Ware.
25g sind selbst in Domori-Qualität so wenig Schokolade, dass wohl kaum jemand das Geschäft mit nur einem Täfelchen verlassen wird. Zum Verkosten und insbesondere Vergleichen sind mir 25g Schokolade viel zu wenig.
Sonderformate
Der Vollständigkeit halber: natürlich sind noch viele weitere Schokoladengrößen im Umlauf. 300g, 200g, 125g findet man nur bei Discountern wie Lidl und Aldi – für Kunden, die Volumennachlässe schätzen. 85 und 75g sind wohl verschämte Versuche von Herstellern, ihre Sorten zu verteuern, die dabei den Sprung auf 70g selbst etwas weit finden. 65g ist ein Sonderformat von Zotter, das noch nicht einmal mit besonders teuren Schokoladequalitäten zu korrelieren scheint. 58g – 2 Unzen, ein amerikanisches Format, z.B. von TCHO so angeboten. 49 und 45g – gesehen als belgische Riegelgrößen. 40g (Bonvodou) und 30g (Cluizels Sorte ‚Noir Infini‘) runden nach unten ab.
Die Zukunft: 70g für alle?
Bei 1€ je Tafel für Standardschokolade, 2€ für Supermarkt-Premiumschokolade und 6€ für gute Fachhandels-Schokolade scheint die Zahlungsbereitschaft der meisten Schokoladenkäufer derzeit zu enden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass bald weitere Schokoladenhersteller mit kleineren Tafelgrößen experimentieren werden. 70g für den Supermarkt und 40-50g im Fachhandel halte ich für realistisch – Domoris 25g sind so wenig, dass man sie kaum noch als Tafel wahrnimmt. Aber vielleicht ist das mein Wunschdenken…