Der Lindt Excellence Edelbitter Intensiv 70% kam das etwas undankbare Schicksal zu, von mir direkt im Anschluss an die hervorragende teuerste Schokolade der Welt getestet zu werden. Andererseits stehen beide Schokoladen auf ihre Weise für Maßstäbe: während Amedeis zehnmal so teure Porcelana-Schokolade so balanciert wie wenige andere Schokoladen einen Schokoladen-Maßstab für Kenner setzt, sind Lindts Bitterschokoladen für viele Einsteiger der wesentliche Maßstab für den Geschmack Dunkler Schokolade.
Lindt überall, in allen Stärken und Geschmacksrichtungen
Mittlerweile annähernd weltweit und in den meisten Nicht-Discounter-Supermärkten Deutschlands verfügbar, hat sich Lindt erfolgreich das Image gegeben, der führende Anbieter hochfeiner Schokoladen zu sein. Im Lindt-Marketing fallen Worte wie „Maitre Chocolatier“, aus Schokolade wird „Chocolade“ und dem Verbraucher wird suggeriert, dass sich die Länge des vom Lindt-Gründer im Jahre 1879 erfundenen Conchierens linear in Qualität übersetzt. Ähnlich den Broschüren von Nespresso-Kaffee, wird in den Tafel-Innenverpackungenn vorgegeben, welchen Geschmack der Kunde erschmecken soll – „Degustationskunde“ nennt Lindt das. Höchster Schokoladenanspruch wird suggeriert.
Die Lindt „Excellence“ Tafeln werden mit 50, 70, 85, 90 und üblicherweise nur bei sehr feinen Schokoladen erträglichen 99% Kakaoanteil angeboten – in Deutschland normalerweise für etwa 2-2,20€ je 100g-Tafel. Hier geht es um die „intensive“ Variante (es gibt auch eine „milde“ Version) von Lindts 70%iger.
Die „Degustation“
Für das Probieren der Lindt 70% Edelbitter Intensiv befolgen wir die der Tafel beiliegende „Bitter-Chocoladen Degustationskunde“.
Sehen
Das sagt Lindt: „Ein homogenes Erscheinungsbild mit einem kräftigen, ebenmäßigen Dunkelbraun und einem seidigen Glanz.“
Stimmt alles. Die Tafel ist recht groß und flächig; die Stücke dadurch angenehm flach, wenn auch groß.
Tasten
Das sagt Lindt: „Die Beschaffenheit der Oberfläche ist glatt und fest. Zarter Schmelz und glattes Mundgefühl machen den Genuss vollkommen.“
Oberfläche: glatt – check! Zu Schmelz und Mundgefühl: siehe ‚Schmecken‘.
Hören
Das sagt Lindt: „Das Bruchgeräusch […] ist ein sehr klares Knacken – ein Beleg für die Hochwertigkeit der Chocoladen. Die Bruchstellen sind glatt und ohne Krümel.“
Stimmt auch – die Tafeln sind in der Tat optisch sehr gut ausgefertigt.
Riechen
Das sagt Lindt: „Im Duft ist sie intensiv und lang anhaltend. Im Nachgang treten Vanille, Früchte und Tabak hervor und vermischen sich zu einem sehr ansprechenden, harmonischen Ganzen.“
Der Geruch der Lindt Excellence 70% Intensiv ist tatsächlich intensiv und lang anhaltend. Kakaonoten sind klar vertreten, aber es ist gleichzeitig eine etwas säuerliche, nicht sonderlich edle Anmutung präsent. Eine leichte Gumminote liegt ebenfalls in der Nase. Oh, und natürlich Vanille, ein Haupthema der Schokolade.
Schmecken
Das sagt Lindt: „Ihr Geschmack ist relativ mild, bitter, und cacao-säuerlich. Die Cacao-Note wird durch Trockenfrüchte und Vanille abgerundet. Sie überzeugt durch ein angenehm vollmundiges, anhaltendes, intensives Aroma.“
Im ersten Kontakt gibt sich die Lindt dunkel und verschlossen. Ihre Süße bleibt angenehm mild, fühlt sich die ganze Zeit über sehr gut dosiert an. Die für alle Lindt-Schokoladen typische Säure setzt auch bei dieser Schokolade zügig ein und veredelt den Grundeindruck. Die Excellence „Edelbitter Intensiv“ ist etwas besser als die Variante „Edelbitter Mild“ mit ebenfalls 70% Kakaoanteil.
Leider hat der Geschmack auch recht hohe staubig, pappig wirkende Anteile: ein großer Teil der Schokoladenmasse scheint geschmacklos abzuschmelzen, man muss entsprechend größere Stücke essen. Dieser pappige Geschmacksanteil ist ganz besonders deutlich, wenn man zum Vergleich parallel ein Stückchen sehr hochwertiger 70%iger Schokolade probiert. Lindt versucht, über viel beigegebene Vanille zu kompensieren.
Zum Thema „Schmelz und Mundgefühl“: der Schmelz selbst ist in der Tat sehr cremig und fein, allerdings setzen sich dadurch auch die eher unangenehm bzw. bitter wirkenden Geschmacksanteile länger im Mund fest. Die Stücke zerbrechen im Mund bereits unter leichtem Druck. Nicht der schlechteste Eindruck, aber nicht so gut wie durchgängig von Marken wie z.B. Michel Cluizel oder Amedei vorgeführt.
Im Nachgeschmack schmeckt die Lindt 70% noch länger bitter nach, der Mundraum fühlt sich kurze Zeit leicht taub an. Das bekommt man nur mit Sprudel – oder einem neuen Stück weg.
Die perfekte 2€-Schokolade?
„Chocoladen“ hin oder her: nur wenige Schokoladen im Supermarktsortiment (etwa Feodora oder Hachez) können qualitativ mit Lindt mithalten, und 2€ für eine Tafel Lindt gehen in Ordnung. 2€ sind aber auch der wesentliche Grund, ’nur‘ Lindt zu kaufen: für einen etwas höheren Preis gibt es spürbar bessere, aromatischere Schokoladen, bei denen man keine Lindt-Charakteristika vermissen würde. Und ich vermute in den meisten Lindt-Käufern das Potential zu Schokoladen-Genießern, die sich bereits mit recht gut verfügbaren Schokolademarken wie Valrhona oder Coppeneur einen Gefallen tun würden…
Zutaten:
Kakaomasse, Zucker, Kakaobutter, Vanille
Ernährungsinformationen:
glutenfrei | laktosefrei | erdnussfrei | fairtrade? |
Ergänzungen:
Allergiker-Information Lindt-Website: "Gluten ist nur in Produkten enthalten, bei denen in der Zutatenliste Getreidebestandteile aufgeführt sind" und "Erdnüsse werden in keiner unserer Rezepturen eingesetzt. Im Bereich unserer Vorlieferanten können wir sicherstellen, dass keine Vermischung mit Erdnüssen stattfindet und diese somit nicht in unsere Produkte gelangen können." Lindt Excellence 70% Cacao ist glutenfrei und laktosefrei (unter 10mg je 100g) (lt. "Aufstellung glutenfreier Lebensmittel 2012" der Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V.). Das Produkt ist lt. Koscherliste der Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) koscher.