„Unfair“? Öko-Test

Nichts wirft einen solchen Schatten auf das Herzensthema Schokolade wie die Bedingungen, zu denen der Rohstoff Kakao in vielen Ländern der Welt hergestellt wird. Um Kakao – ein arbeitsintensives Rohprodukt – zu Arbeitsbedingungen herstellen zu können, die denen der Industriestaaten auch nur nahekommen, müsste sich der Ladenpreis vieler Schokoladen vervielfachen. Schokolade jeder Güteklasse würde zum Luxusartikel, der resultierende Nachfragerückgang viele bestehende Geschäftsmodelle gefährden und Arbeitsplätze verlagern. Schmerzhaft! Aber: noch viel schmerzhafter sind die Bedingungen, denen Kakaobauern sich heute weltweit unterwerfen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu erarbeiten.

Die Zeitschrift Öko-Test testet in ihrer Dezember-Ausgabe 2012 25 Dunkle Schokoladen aus dem deutschen Einzelhandel und räumt der Testkomponente „Fairer Handel“ eine maßgebliche Rolle ein. Das Testergebnis: lediglich zwei Schokoladen – beides keine Markenartikel – verdienen laut Öko-Test ein „sehr gut“, keine einzige ein „gut“. Grund genug, sich nicht nur die Resultate, sondern auch Test und Kriterien etwas genauer anzusehen.

Die Öko-Test Testergebnisse: Bio-Schokoladen

„Sehr gut“:

„Befriedigend“

„Ausreichend“

  • Hussel Iara 62% dunkle Vollmilch-Chocolade

Zertifiziert = fair?

Anders als beim Schokoladentest der Stiftung Warentest im Jahre 2007, suggeriert die  Testaufbereitung von Öko-Test dankenswerterweise nicht, dass die getesteten Schokoladen auch geschmacklich bewertet wurden.

Die Gemeinsamkeiten der von Öko-Test bestbewerteten Schokoladen sind:

  1. ihr deklarierter Kakaogehalt stimmte mit der Nachmessung überein – bei der „Gubor Edel-Zartbitter 70% Kakao“ maßen die Öko-Tester lediglich 60%;
  2. kein erhöhter Cadmium-Wert konnte festgestellt werden – Cadmium-Belastung entsteht durch die Bodenbeschaffenheit z.B. südamerikanischer Anbaugebiete leider auf natürliche Weise. Öko-Test halbierte hierbei die Belastungsgrenze des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) „im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes“;
  3. annähernd 100% des verwendeten Kakaos stammen aus zertifizierten Quellen.

Während ich die ersten beiden Kriterien für wenig strittig halte (vermutlich halbierte Öko-Test die Grenzwerte des BfR allerdings auch im Sinne pointierterer Testresultate), stützt sich Öko-Test bei der Bewertung des „fairen“ Handels vorwiegend auf die Verwendung von Kakao, der mit den bekannten Siegeln wie Rainforest Allianze, UTZ und Fairtrade zertifiziert wurde. Bis auf Ausnahmen wird „zertifiziert“ mit „fair“ gleichgesetzt, ansonsten im semantischen Umkehrschluss mit „unfair“ bewertet.

Öko-Test unterschlägt die Rolle kleiner Schokoladehersteller

Öko-Test konzentriert sich in diesem Schokoladentest auf Großhersteller und bekannte Konsumenten- bzw. Biomarken, was natürlich der Leserreichweite dieses Tests hilft. Gleichzeitig wird dadurch die positive Rolle unterschlagen, die kleine und mittelgroße Schokoladenhersteller direkt vor Ort leisten können und zum Teil bereits heute leisten. Zotter, mit einer Schokolade im Test vertreten, hätte hier als Beispiel angeführt werden können. Im hochqualitativen Marktsegment arbeiten Hersteller und Kakaobauern in langjähriger Partnerschaft abseits von Fairtrade-Zertifizierungsverfahren zusammen – und ein Prozess beginnt, der auch spätere Herstellungsstufen bis hin zur Tafelherstellung in die Erzeugerländer verlagert. Unter etwa 4€ Ladenpreis je 100g-Tafel scheint das aber derzeit nicht leistbar.

In der Zwischenzeit dürfen LIDL und REWE ein Öko-Test „sehr gut“ auf ihre „Fairtrade“-Schokoladen kleben.

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