Fair gehandelte Schokoladen

Fair gehandelte Schokoladen sind im Kommen. Die Nachfrage auf dem europäischen Markt lässt sich leicht an den Absatzzahlen ablesen: Seit 2005 haben sich die Umsätze allein mit Fairtrade-zertifizierten (das wohlbekannte Siegel von Fair Trade International) Produkten verachtfacht. Schokoladen mit diesem und anderen fairen Siegeln haben die Nische der Weltläden verlassen und finden sich nun auch in den Regalen der Supermärkte wieder. Gleichzeitig nimmt die Zahl der unterschiedlichen Siegel zu, und es ist ein Trend hin zu einer neuen, bewussteren Schokoladenkultur spürbar.

Für Schokoladenhersteller ist dieser Trend sogar aus zweierlei Hinsicht interessant: einerseits bietet die Produktion einer fairen Schokolade die Möglichkeit, das eigene Ansehen positiv zu beeinflussen. Außerdem bietet die Bereitschaft von Käufern, mehr Geld für Schokoladen zu bezahlen, auch die Möglichkeit, engere Beziehungen zu den Kakaoproduzenten aufzubauen.

Gerade für die Kakaoproduzenten selbst kann eine faire Schokolade einen großen Nutzen darstellen. Ihre wirtschaftliche Situation kann maßgeblich verbessert, eine soziale und ökologische Entwicklung gefördert werden.

Die Betonung liegt hierbei auf dem „Kann“. In Deutschland gibt es viele Schokoladen mit Siegel, welche in irgendeiner Weise faire Hintergründe suggerieren. Die bekanntesten unter ihnen sind das Fairtrade-Siegel und das von UTZ Certified. Sieht man sich in den Sortimenten der Fachgeschäfte um, so lassen sich Schokoladen aufspüren, die preislich um ein Vielfaches höher liegen, jedoch neben der exzellenten Qualität ebenfalls sehr interessante Hintergründe haben.

Um ein wenig Klarheit in den Dschungel der Siegel und fairen Schokoladen zu bringen, werden hier einige Alternativen mit und ohne Siegel näher unter die Lupe genommen. Die Welt der fairen Schokoladen ist unheimlich reich an Möglichkeiten und bietet dem Konsumenten sowohl preislich als auch geschmacklich weite Spektren.

Was bedeutet denn nun eigentlich „FAIR“?
Kakaobohnen werden gewogen

Kakaoverkauf

Bei Betrachtung von Siegeln oder anderweitig „bewussten“ Kakaoverarbeitern lassen sich deren Anforderungen meist in ökonomische, soziale und ökologische Kriterien einteilen. Bei den ökonomischen Kriterien sind insbesondere angemessene Kakaopreise und die Ausschaltung von Zwischenhändlern wichtig. Durch letztere ergibt sich im Idealfall für Kleinbauern die Möglichkeit, direkt mit dem Schokoladenhersteller zusammenzuarbeiten oder sogar eigene Schokoladen zu produzieren. In beiden Fällen ergeben sich bessere Chancen, höhere Einkommen zu erzielen und außerdem der Rolle des vom Zwischenhändler abhängigen Rohstofflieferanten zu entgehen. Durch eine direkte Zusammenarbeit hat zudem der häufig schwankende Kakao-Weltmarktpreis einen geringeren Einfluss. Auf Augenhöhe können Kleinbauern und Produzenten einen angemessenen Preis verhandeln, der für Kleinbauern auch notwendig ist, um einen qualitativ hochwertigen Kakao erzeugen zu können. Hier ist gut zu wissen: Kleinbauern, die keiner Kooperative angehören oder ihren Kakao ohne Siegel verkaufen, erzielen bis auf wenige Ausnahmen nur zwischen 40% und 80% des Weltmarktpreises. Der Rest geht an Zwischenhändler, die zwar einerseits durch ihre Transportmöglichkeiten und Marktkenntnisse wichtig sind, jedoch dadurch auch gleichzeitig unentbehrlich werden. Ihnen obliegt die Entscheidung über den Preis, den die Kakaobauern erhalten.

Die sozialen Kriterien umfassen meist die Themen der Kinder- und Zwangsarbeit, Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Stärkung von Frauenrechten sowie die Bildung von Kooperativen oder ähnlichen Gruppen zur gemeinschaftlichen Stärkung der einzelnen Kleinbauern.

Kakao wächst in Mischkultur

Mischkultur

Ökologisch betrachtet steht die nachhaltige Nutzung von Anbauflächen im Vordergrund. Dazu gehört ein reduzierter Einsatz bzw. Verzicht auf künstliche Dünger und Pestizide, der verantwortungsbewusste Umgang mit Wasser, sowie der Schutz von Flora und Fauna. Der Kakaobaum ist übrigens eine empfindliche Pflanze, die jedoch in Mischkultur und mit fachgerechter Baumpflege sehr gut gedeihen kann. Eine nachhaltige Nutzung der Anbauflächen trägt deshalb auch zu langfristig guten Ernteerträgen bei.

Alternative 1: Schokoladen mit fairem Siegel

Die beiden bekanntesten Siegel für Schokoladen sind das Fairtrade-Siegel und das der UTZ, die hier exemplarisch verglichen werden. Weitere Siegel, wie das der Rainforest Alliance, das von Rapunzel (Hand in Hand) oder Naturland Fair konnten hier nicht im Einzelnen betrachtet werden. Ein nächster Artikel wird sich demnächst umfassender mit fairen Handelssiegeln auseinandersetzen.

Faire Siegel: Ökonomisches, Soziales und Ökologisches

Faire Handelssiegel dienen dem Konsumenten zur Garantie dafür, dass gewisse Standards im Kakaoanbau eingehalten werden.

Die Standards umfassen ökonomische, soziale und ökologische Kriterien. Für beide gelten so die Verbote von Kinder- und Zwangsarbeit, die Förderung sozialer Projekte und eines ökologisch nachhaltigen Anbaus.

UTZ und Fairtrade unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten. Das Fairtrade-Siegel ist so gut wie in allen Facetten strenger und fördert eher einen Handel auf Augenhöhe. Während UTZ einen Schwerpunkt auf ökologischen Anbau und soziale Themen legt, fordert es weder konstante noch Mindestpreise. Bei Fairtrade-Zertifizierung stehen solche konstanten Mindestpreise hingegen im Vordergrund. Zum Vergleich: der Mindestpreis der bezahlt werden muss, wenn Schokoladen ein Fairtrade-Siegel tragen, liegt bei 2.200 US$ pro Tonne Rohkakao. Übersteigt der Weltmarktpreis diesen Wert, so gleicht sich auch dieser Mindestpreis daran an. Bei UTZ Certified ist das anders. Die Zwischenhändler kaufen weiterhin ohne Preisvorgaben ein. Gemäß marktwirtschaftlicher Logik sollen sich durch gemeinsam mit den Bauern erarbeitete Qualitätssteigerungen etwas höhere Abnahmepreise (jeweils individuell ausgehandelt in Form von Prämien) ergeben, als unbeteiligten Bauern bezahlt würden. Außerdem sollen durch die gesteigerte Produktivität Kosten gesenkt, und damit mehr Einkommen erzielt werden. Trotzdem sind die Kakaobauern den starken Preisschwankungen des Weltmarktes ausgesetzt und weiterhin abhängig von Zwischenhändlern. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht wesentlich mehr Einkommen als ihre Kollegen ohne UTZ-Siegel erzielen.

Zertifizierung/Monitoring

Das UTZ-Programm in seiner heutigen Form wurde unter anderem von Unternehmensgrößen wie Cargill, Nestlé und Mars mitgegründet. Regeln und Kontrollverfahren stehen damit (trotz teilnehmender NGOs) auch unter ihrem Einfluss. Die Einkäufer haben sich damit nur ihren eigenen, eigens geschaffenen Regeln verpflichtet. Produzenten (also Bauern) halten wenig Stimmrechte. In dem aktuell 8-köpfigen Standardkomitee ist lediglich eine Produzentenvertreterin beteiligt. Ihr stehen zwei Vertreter großer Einzelhandelsunternehmen sowie verschiedene Experten gegenüber.

Im Gegensatz dazu erfolgt bei Fairtrade-Produkten die Erstellung von Standards durch Fair Trade International (FLO). Die Möglichkeit strengerer Regeln ist durch die Zusammensetzung des FLO-Vorstandes schon eher gegeben. Hier werden die Entscheidungen zu gleichen Anteilen von den unabhängigen nationalen Fairtrade-Initiativen und andererseits von den Bauern getroffen. Zusätzlich wirken drei unabhängige Experten mit. Gemeinsam wählen sie ein Komitee, welches die Standards festlegt. In ihm sind zwar alle am Weg des Produktes beteiligten Interessensgruppen vertreten, Produzenten und die Fairtrade-Initiativen zusammen bilden jedoch die Mehrheit.

Die Schokoladen

Das UTZ-Siegel ist mittlerweile weit verbreitet. Insbesondere die Handelsmarken der Discountketten wie LIDL, ALDI, Penny und NETTO sind UTZ-zertifiziert und ab 0,39€ je Tafel erhältlich. Der Markenhersteller Sarotti trägt das Siegel, Teile des Ritter-Sport-Schokoladensortiments werden demnächst zertifiziert, und bei Lindt ist das Siegel ebenfalls in Planung.

Das Fairtrade-Siegel der FLO ist das bekannteste unter den fairen Zertifizierungen und hat es auch in die deutschen Supermärkte geschafft. Eine größere Auswahl an fair gehandelten Schokoladen bieten außerdem die Weltläden und viele Biomärkte. Sie werden zu unterschiedlichen Preisen angeboten, da Hersteller sowohl Edelkakao als auch den üblichen Konsumkakao mit Fairtrade-Siegel beziehen können und so Schokoladen unterschiedlicher Qualität erzeugen können. Zotter nutzt beispielsweise ausschließlich fairen Kakao und liegt mit ca. 4,50€/100g deutlich über den Preisen von Supermarkt-Handelsmarken wie die von LIDL Fairglobe oder REWE, deren Fairtrade-Schokoladen schon ab 1,29 bzw. 1,49€/100g erhältlich sind. Es kommt immer darauf an, wieviel Wert der Hersteller auf Fairness legt. Altbekannte Fairtrade-Unternehmen wie GEPA, El Puente oder dwp pflegen den Kontakt zu „ihren“ Kooperativen und versuchen nach eigenen Aussagen zudem, Schokoladenrezepturen mit so vielen fair erhältlichen Zutaten wie möglich zu entwickeln.

Ob letzteres bei Schokoladen von  LIDL Fairglobe, REWE und anderen Supermarkteigenmarken in gleichem Maße der Fall ist, ist fraglich.

Bewertung
Ecuadorianischer Junge mit Kakaofrucht

Junge mit Kakaofrucht

Die Vorteile von Siegeln liegen auf der Hand. Für den schnellen Einkauf sind sie praktisch. Sie garantieren gewisse Standards, so dass man als Kunde nicht selbst recherchieren muss. Jedoch empfiehlt es sich, beim Erstkauf die Standards einer Zertifizierung genau nachzulesen. Allein mit irgendeinem Siegel oder schwammigen Worten wie „fair“ oder „nachhaltig“ ist noch nicht viel gesagt.

Den Urhebern der Siegel gebührt dabei besondere Aufmerksamkeit. Sind sie nicht unabhängig (wie beispielsweise bei der UTZ), so können sich schnell laxe Regeln und Verfahren einschleichen, die dem Konsumenten durch mehrdeutige Formulierungen mehr suggerieren als sie halten. Die wirklichen Vorteile der UTZ-Zertifizierung liegen wohl eher auf Seiten der Schokoladenhersteller, die von solch einem Siegel als Marketingunterstützung profitieren. Die positiven Auswirkungen für Kakaobauern sind auf minimale Anforderungen begrenzt und könnten wesentlich besser sein.

Auch bei Fairtrade-gesiegelten Schokoladen wächst mit deren zunehmendem Erfolg die Kritik: Die zunehmenden Kakaomengen können kaum noch mit gleichbleibend direktem Kontakt eingekauft werden, umfassende Kontrollen der Einhaltung der Standards gestalten sich immer schwieriger und sie werden teilweise aufgeweicht.

Alternative 2: Direkter Einkauf des Kakaos durch die Schokoladenhersteller

Ökonomisches

Der direkte Einkauf ermöglicht es, sämtliche Zwischenhandelsstufen auszuschalten, die zwischen Kakaobauer und Schokoladenhersteller liegen. So bezahlen Hersteller beim direkten Einkauf oftmals Preise an die Bauern, die über dem Weltmarktpreis für Kakao liegen.

Soziales und Ökologisches
Ecuador-Kakaobauer riecht an Kakao.

Frisch fermentiert

Da direkt eingekaufter Kakao nicht zwingend gesiegelt sein muss, gibt es keine verbindlichen Standards. Hersteller, die direkt einkaufen, unterstützen aber öfter auch soziale Projekte vor Ort. Beim Direkteinkauf wird großer Wert auf Qualität und gute Zusammenarbeit gelegt und außerdem häufig ein ökologisch nachhaltiger Kakaoanbau gefördert. Kinderarbeit entsteht meist aufgrund von Armut. Höhere Einkommen für die Kakaobauern und die Verantwortung der direkten Einkäufer können also zu der Abschaffung von Kinderarbeit beitragen.

Die Schokoladen

Es gibt zahlreiche kleine Hersteller, die ihren Kakao ausschließlich direkt von Kooperativen beziehen und die Ansprüche an eine faire Schokolade sehr gut erfüllen. Hierzu zählen beispielsweise Pacari (trägt darüber hinaus das demeter-Siegel), Original Beans, Madecasse, Benoît Nihant, Zotter (hat gleichzeitig auch das Fairtrade-Siegel). Preislich liegen sie über dem üblichen Supermarktniveau, im Schnitt bei ca. 5€/100g.

Bewertung

Schokoladen von Qualitätsherstellern mit direktem Bezug zu den Erzeugern sind eine erfrischende Alternative, die bewussten Schokoladenkonsum zulässt. Wegen ihrer transparenten Hintergründe sind solche Schokoladen besonders spannend, und unter den kleinen Herstellern lassen sich wirkliche Premiumstücke finden.

Diese Hersteller haben andere Kostenstrukturen, die wesentlich dazu beitragen, dass ihre Schokoladen teurer sind als industriell gefertigte. Dafür haben sie jedoch durch die geringeren Produktionsmengen die Möglichkeit, einen sehr direkten Bezug zu allen an der Entstehung dieser Schokoladen beteiligten Personen herzustellen. In solchen Fällen wird oft mehr bezahlt als für Fairtrade-zertifizierten Kakao. Dies gilt natürlich nicht automatisch für alle kleinen Hersteller. Am besten: selbst auf den Websites recherchieren. Wenn es keine aufschlussreichen Informationen gibt, direkt nachfragen! Kleine Hersteller leben von der Qualität ihrer Schokoladen, die sie auch kommunizieren möchten, wenn sie können. Fragen wie

  • „Wird der Kakao direkt (vom Hersteller) bei Kooperativen eingekauft?“
  • „Wächst der Kakao in Monokulturen?“,
  • „Werden künstliche Pestizide/Dünger eingesetzt?“
  • nach Kinderarbeit
  • sowie nach dem bezahlten Kakaopreis

ergeben ein aufschlussreiches Bild.

Alternative 3: Schokoladen eigens von Kakaobauern hergestellt

Ökonomisches und Soziales

Im Falle der eigenständigen Schokoladenherstellung haben Kleinbauern einen großen Vorteil: sie fungieren nicht nur als Lieferanten von Kakao, sondern erlernen zusätzlich wichtiges Know-How rund um dessen Verarbeitung, die Schokoladenherstellung und kaufmännische Kompetenzen. Sie werden also gleichzeitig zu Unternehmern mit viel umfassenderen Aufgaben als zuvor. Zudem können mehr Arbeitsplätze geschaffen und höhere Gewinne erzielt werden als durch den bloßen Kakaoanbau. Bisher war es die Regel (auch im Falle Fairtrade-zertifizierter Produkte), dass die Kakaoverarbeitung bis zur fertigen Tafel Schokolade in Europa stattfand. Dort verblieb dann auch der größte Teil der Gewinne. Mit der eigenständigen Weiterverarbeitung durch Genossenschaften im Kakaoanbauland bleiben diese Gewinne vor Ort und gehören den Kleinbauern.

Ökologisches

Ein ökologisch nachhaltiger Anbau schützt die umgebende Natur, von der sich Subsistenzlandwirte, wie es diese Kakaobauern häufig sind, ernähren. Da sie nicht dem Druck von Zwischenhändlern unterliegen und über mehr Einkommen verfügen, haben sie die Möglichkeit, ökologisch gerecht anzubauen. Einige dieser Schokoladen sind biozertifiziert.

Die Schokoladen

Bisher haben es wenige Kleinbauernkooperativen geschafft, sich so weit zu emanzipieren. Die Idee wurde als erstes von der Kleinbauernkooperative El Ceibo aus Bolivien aufgegriffen. Hinzu kamen Bouga Cacao (Ecuador), Kallari (Ecuador), die Grenada Chocolate Company (Grenada) und Divine Chocolate, die zu 45% der Kleinbauernkooperative Kuapa Kokoo (Ghana) gehört. Die Schokoladen sind in Fachgeschäften sowie im Internet erhältlich und durchweg sowohl wegen der ganz besonderen Hintergründe als auch ihres Geschmacks mehr als eine Probe wert. Näher kann man dem Kakaobauern und dem Ursprung der Schokolade nicht sein. Zu haben sind die guten Stücke ab ca. 7€/100g.

Bewertung
Kallari-Schokoladenmacher im Conchier-Raum

Chocolatiers

Die junge Alternative der Schokoladenherstellung direkt durch Kleinbauern bringt wegen der Möglichkeit der Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Emanzipation viel Potential mit sich. Für die Zukunft der Kakaoanbauländer und des Schokoladenmarktes gibt es nichts Wünschenswerteres als weitere solcher Kleinbauerngenossenschaften, die diesen großen Schritt bewältigen. Meine persönlichen Erfahrungen bei der Asociación Kallari in Ecuador waren überwältigend. Die Kleinbauern sind erfüllt von Stolz und gehen mit diesem Bewusstsein verantwortungsvoll mit ihrer Aufgabe des Kakaoanbaus, der Weiterverarbeitung und Schokoladenherstellung um. Die qualitativen Ergebnisse überzeugen ebenso wie die Entwicklungserfolge vor Ort.

Fazit: direkter Kontakt schlägt anonyme Siegel

Als Faustregel könnte dienen: Je direkter und transparenter der Bezug des Kakaos, je weniger Akteure an dem langen Weg vom Kakaoanbau bis zur fertigen Schokolade beteiligt sind, desto fairer ist die Schokolade im Normalfall. Aber auch oft: desto teurer. (Achtung: das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass alle teuren Schokoladen fair sind!)

Heißt also:

Die eigenständige Weiterverarbeitung durch Kleinbauern ist die fairste von allen Möglichkeiten, weil sie die Unabhängigkeit und wirtschaftliche Entwicklung der Bauern fördert.

Schokoladen kleiner, direkt in Partnerschaft arbeitender Chocolatiers können die Kriterien einer fairen Handelspartnerschaft durchaus sehr gut erfüllen. Da sie oftmals kein Siegel tragen, muss aber genau hingesehen werden. Und natürlich verfolgt nicht jeder Hersteller nur weil er klein ist, auch faire Ziele. Zuletzt bleiben bei dieser Alternative genauso wie bei Schokoladen mit Siegeln Bauern immer nur Rohstofflieferanten und damit in einem starken Abhängigkeitsverhältnis von ihren Abnehmern.

Die Möglichkeiten gesiegelter Schokoladen sind mit gemischten Gefühlen zu betrachten. Das Preisspektrum (so bezeichneter) fair gehandelter Schokoladen ist völlig variabel. Je nach Größe des Herstellers und nach der Qualität des verwendeten Kakaos reichen die Preise von einer durchschnittlichen Supermarktschokolade bis hin zu Edelschokoladen. Dass eine Schokolade für 0,39€ mit UTZ-Siegel nicht so fair sein kann wie eine Fairtrade-zertifizierte Schokolade für 1,99€ oder gar eine fair gehandelte Schokolade für 5,00€ selbst ohne Siegel, über die es dafür transparente Informationen gibt, sagt einem schon ein Bauchgefühl.

Fairtrade-zertifizierte Schokoladen sind sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite stehen Marken wie GEPA, dwp, El Puente, Zotter, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, partnerschaftlichen Handel zu betreiben und zu einer maßgeblichen Veränderung in den Anbauländern beizutragen. Faire Schokoladen vom Discounter hingegen führen dazu, dass die Anforderungen der Siegel weniger strikt werden und diese möglichst aufwandsarm eingehalten werden.

UTZ kann nicht als fair bezeichnet werden. Das Siegel kann zu Verbesserungen führen, ist jedoch noch keine Handelspartnerschaft auf Augenhöhe. Fair ist also nicht immer gleich fair. Und Siegel sind nicht immer aussagekräftig genug. Oftmals hilft eigenes genaues Hinschauen für einen bewussten Konsum.

Je direkter der Bezug zur Schokolade, desto spannender wird auch ihr Genuss. Es gibt noch nicht viele Konsumenten, die von sich behaupten können, Namen und Sitz der Kleinbauerngenossenschaft oder gar der Kakaobauern zu kennen, von deren Ernte der Kakao bzw. aus deren Herstellung ihre Schokolade stammt.

Die Zukunft einer sowohl geschmacklich als auch für den Kakaobauern guten Schokolade liegt genau hier.


Nina Postweiler

Nina Postweiler isst nicht nur, sondern kämpft auch leidenschaftlich für Schokolade mit leckeren Hintergründen. Als Geschäftsführerin und Gründungsmitglied der Kallari eG in Deutschland arbeitet sie auf ein direktes Vertriebsnetz für die Schokoladen der Kleinbauernkooperative Asociación Kallari aus Ecuador hin.

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10 comments on “Fair gehandelte Schokoladen
  1. Franz Niederhofer sagt:

    Ich finde schon, daß das Preisleistungs-Verhältnis mit einbezogen werden sollte. Kallari macht vielleicht alles gut, aber so wie Chclt selbst schreibt, kosten 100 Gramm dann auch 7 Euro. 39 Cent müssen es vielleicht nicht sein, aber eine 2 Euro-Schokolade mit Fairtrade von Gepa klingt da wie ein guter Mittelweg.

  2. Frau Postweiler hat sich sicherlich viel Mühe geben bei Ihrem Artikel, allerdings ist dieser in Hinblick auf die besprochenen Zertifizieruggssysteme Faritrade und UTZ Certified teilweise veraltet bzw. unrichtg. Was Fairer Handel ist, lässt sich in der Charta des Fairen Handels nachlesen. Wesentliche Kriterien sind z.B. Mindestpreise, Prämien und vor allem demokratische Organisations- und Entscheidungsstrukteren sowie Empowerment/Selbstbestimmung der Produzentenorganisationen. All dies spielt bei UTZ Certified keine Rolle, weswegen es auch ein Nachhaltigkkeits-
    Zertifizierer für den MAssenmarkt ist und keine Fairhandelsorganisation (und auch nicht diesen Anspruch erhebt). Zu diesem Schluss kommt auch Frau Postweiler – dann wäre es schön, sie würde UTZ Certified auch nicht als Faires Siegel bezeichnen.
    Die erwähnten Fairhandleshäuser GEPA, el puente und dwp sind eigenständige Unternehmen und keine „Fairtrade-Unternehmen“; je nach Geschäftspolitik nutzen sie das Fairtrade-Siegel nur teilweise oder gar nicht.
    Was den direkten Kontakt zu den Produzenten betrifft, unterhält Fairtrade einen weltweiten Beratungsdienst und ist mit seinen kontinentalen Produzentennetzwerken weltweit vor Ort. Im Übrigen haben die Produzentenorganisationen 50% der Stimmrechte der Mitgliederversammlung – Fairtrade gehört also zu 50% den Produzenten. Die Produzentenverterter stellen die relaive Mehrheit im Standards Committee; kein Standard kann also gegen deren Willen durchgesetzt werden. Insgesamt empfiehlt sich eine genauere Recherche der tatsächlichen Strukturen von Fairtrade.
    Den direkten Kontakt mit Kleinbauen begrüßen wir ausdrücklich, ebenso die Schokoladenproduktion vor Ort. Allerdings wird man mit solchen Produkten bestenfalls einen sehr geringen und hochpreisgen Spezialitätenmarkt bedienen können. Den Mißstände des Kakaosektors- insbesondere die Frage der vor allem in Afrika grassierenden Kinderarbeit – wird man aber mit solchen Ansätzen nicht verändern. Dazu braucht es gro0e Vekausfsmengen fair gehandelter Schokolade, was einem enormen Rechtfertigungsdruck auf die gesamte Branche ausübt. Nur so kann es zu Verändreungen der Missstände im kakaosektor kommen.

    • @Martin Schüller
      Vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar.
      Mit UTZ Certified eingeordnet unter „Schokoladen mit fairem Siegel“ hat sich eventuell ein kleines Missverständnis ergeben. UTZ ist in meinen Augen, und das führe ich auch in dem Artikel aus, kein faires Siegel. Da dies dem Konsumenten aber in gewisser Weise so suggeriert wird, habe ich dieses und das Fairtrade-Siegel unter derselben Überschrift untersucht. FLO-zertifizierte Schokoladen schneiden hierbei jedoch wesentlich besser ab.
      Bezüglich der Strukturen traf ich meine Aussagen aufgrund direkter Nachfrage bei Flo-Cert sowie zum Download bereitstehender Informationen bei Fairtrade Deutschland. Im Artikel wird der 50%ige Stimmenanteil der Produzentenorganisationen im Vorstand übrigens positiv hervorgehoben.
      Auch wenn die GEPA ihre Produkte nicht mehr labelt, so sind doch alle Produkte die es ursprünglich waren, immer noch zertifiziert. dwp führt aktuell im Onlineshop nur Zotter-Schokoladen, die ebenfalls FLO-zertifiziert sind. Im Falle von El Puente war ich falsch informiert. El Puente labelt seine Produkte lediglich auf Wunsch seiner Wiederverkäufer, also wahrscheinlich äußerst selten. Demzufolge muss das Unternehmen der Alternative 2 zugeordnet werden.
      Meiner Ansicht nach ist die Alternative der eigenständigen Schokoladenherstellung durch Kleinbauernkooperativen die beste Möglichkeit ihrer wirtschaftlichen Emanzipation und Teilnahme auf Augenhöhe am Weltmarkt. Eine globale Umwälzung des Schokoladenmarktes in diese Richtung ist eine Utopie, in deren Richtung jedoch alle Entwicklungen dieses Sektors zeigen sollten.

  3. Mark sagt:

    Mal nach dem Kakaopreis googeln. Aktuell liegt er bei 2536$ und die letzten fünf (fünf!) Jahre war er nur zwei Mal ganz kurz und knapp unter 2200. Stabilität gut und schön, aber ist es nicht Zeit für Fairtrade, nachzuziehen?

    • @Mark
      Der Mindestpreis wurde 2011 auf sein heutiges Niveau angehoben. Mit Blick auf den Trend des Weltmarktpreises wäre tatsächlich eine weitere Steigerung wünschenswert. Der Weg zu wirklich guten Kakaopreisen ist weit. Bis Anfang der 1980er war der Weltmarktpreis für Kakao inflationsbereinigt ungefähr doppelt so hoch wie heute.
      Trotzdem will ich hier nocheinmal ein wichtiges Detail betonen, das oft übersehen wird: Kakaobauern die ohne Fairtrade-Zertifizierung arbeiten erhalten bei dem Verkauf ihres Kakaos im Schnitt lediglich 40%-80% des Weltmarktpreises. Von den aktuellen ca. 2500$ also zwischen 1000$ und 2000$ und damit ein gutes Stück weniger als den Fairtrade-Mindestpreis.

      • Mark sagt:

        Danke für die Antwort. Können sie sagen was ihrer Erfahrung nach bei Alternative 2 und 3 in Dollar bei den Bauern ankommt?

        • Da es in beiden weiteren Alternativen keine Standards ö.ä. gibt, ist das sehr unterschiedlich. Ich weiß, dass die Bauern von Kallari umgerechnet ca. 3000$ pro Tonne Kakao verdienen. Dabei bleibt ihnen der Aufwand von Fermentation und Trocknung erspart. Die Schritte werden zentral in der Kooperative übernommen.
          Die Aussichten auf eine Steigerung sind gut, da die Schokoladenproduktion bald in einer eigenen, anstatt wie momentan gemieteten, Fabrik vorgenommen werden kann.

          Direkte Einkäufer wie in Alternative 2 beschrieben bezahlen häufig noch mehr. Original Beans und Benoit Nihant bezahlen mehr als das doppelte des Weltmarktpreises. Auch Pacari liegt über dem Weltmarktpreis. Für genauere Angaben würde ich, wie empfohlen, einfach direkt nachfragen.

  4. Silke Korb sagt:

    Beruhigend, dass einige teure (und leckere :*) ) Schokoladen auch ohne Fairtrade-Siegel fair sind!

  5. UTZ Certified respektiert andere Nachhaltigkeitsgütesiegel: Wir wissen um ihre Bedeutung, um weltweit die Landwirtschaft und den Handel in die Nachhaltigkeit zu führen. Für weitere Informationen lesen Sie bitte das gemeinsame Statement der Rainforest Alliance, Fairtrade und UTZ Certified:

    https://www.utzcertified.org/attachments/article/2174/Joint_statement_rainforest%20alliance_fairtrade%20and_utz_certified.pdf?template=gk_corporateinnerfooter

  6. Melissa sagt:

    Ein sehr informativer Bericht mit Informationen, die ich bisher gar nicht kannte. Da bin ich doch auch ziemlich froh, dass man die ein oder andere Schokolade auch ohne schlechtes Gewissen essen kann.