Über kein anderes Buch wird in der Schokoladen-Szene zur Zeit so viel gesprochen wie über Georg Bernardinis Buch „Der Schokoladentester“. Nun ist Schokolade auch kein Thema, zu dem wöchentlich aufsehenerregende Bücher erscheinen. Was steckt hinter diesem Buch, das sogar von ARD-Literaturkritiker Denis Scheck zur Frankfurter Buchmesse 2012 empfohlen wurde?
Georg Bernardini
Nach beruflichen Stationen als Konditor und Pâtissier in Deutschland und Frankreich, gründete Georg Bernardini 1992 mit Partner Oliver Coppeneur den bekannten deutschen Schokoladenhersteller Confiserie Coppeneur et Compagnon, heute der deutsche Hersteller mit dem qualitativ besten Ruf. Bernardini zeichnete in seiner aktiven Zeit u.a. für Produktion, Einkauf und Vertrieb veranwortlich; selbst der Betrieb einer Kakaoplantage gehörte zeitweilig zum Aufgabenspektrum. 2010 verließ er Coppeneur und widmete einen guten Teil seiner Zeit seitdem einem Mammutprojekt: der Verkostung tausender Schokoladen, Pralinen und sonstiger Schokoladenprodukte „fachhandelstauglicher“ Schokoladenhersteller.
Zwei Schokoladenbücher in einem
Ein Jahr später als ursprünglich geplant – vor allem Ärger mit dem ursprünglich geplanten Verlag verschob die Planung – erschien das gut 730 Seiten starke Werk nun im Selbstverlag. Die ersten 90 Seiten widmet Bernardini der Vermittlung von Hintergrundwissen: welche Untersorten hat die Forastero-Bohne? Was zeichnet Grenada-Kakao aus? Was ist von Fairtrade zu halten? Wie beeinflusst das Conchieren den Geschmack? Was hat es mit „belgischer Schokolade“ auf sich? Eng gedruckt, garniert mit weitgehend eigenem Bildmaterial und reichhaltigen Erfahrungen, wäre der erste Teil bereits ein veröffentlichungswürdiges Buch für sich.
Der größte Teil des Bandes aber dreht sich nun um Verkostungen und Bewertungen: etwa 2.700 Schokoladen von 271 internationalen Herstellern haben es ins Buch geschafft. Je Hersteller wird eine Auswahl an Schokoladen kurz bewertet, welches aggregiert eine Herstellerbewertung ergibt. Hier liegt das Herz des Projekts: oft sehr detailliert, berichtet Bernardini von seinen Erfahrungen, Überraschungen, Mühen und Empfehlungen mit jedem aufgeführten Hersteller. Die Bewertung einzelner Schokoladen ist knapp, Mittel zum Zweck. Beispiele:
Zotter – „Produkt: (Dunkel) Labooko Peru 70% 16h conchiert
Punkte: 95,40. Preis/Menge: 1,60 EUR/35g
Voller Aroma, angenehm herb und fruchtig. Etwas ‚wild‘ im Aroma. Welcome to the jungle …
Aromaprofil: Zitrusfrüchte, Vanille, Gewürze“
oder auch:
Erich Hamann – „Produkt: (Milch) Borke-Vollmilch
Punkte: 30,00. Preis/Menge: 4,20 EUR/100g
Sehr einfache, süße und aromaflache Schokolade, die ein Aromaprofil nicht ermöglicht. Zu allem Überfluss auch noch mit Vanillin.“
Stark durch persönlichen Ton
Was zum trockenen Nachschlagewerk hätte geraten können, wurde ein überraschend persönliches, spannendes Buch für jeden, der auch nur geringes Interesse an der Materie feiner Schokoladen hat. Besonders unterhaltsam wird das Buch naturgemäß, wenn es saftig wird. Zu Hamann, nachgelegt: „Einerseits hätte ich sehr gerne auf den Verzehr der Borkenschokolade verzichtet, andererseits muss diesem ‚Klassiker‘-Unsinn ein Ende bereitet werden“ – oder: „Einzig die ordentliche Schokoladenqualität und deren Individualität bewahrt Hachez vor einer katastrophalen Bewertung“ – oder, zum Pralinenhersteller Neuhaus, „fettig, buttrig, süß, flach an Aromen und mit qualitativ fragwürdiger Schokolade. So war belgisches Konfekt schon immer […]“.
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Das Buch ist durchweg schlüssig strukturiert und richtig gut gemacht. Dennoch fällt auf:
- Die formale Zutatenliste der Schokoladen spielt bei der Bewertung eine deutlich über den reinen Geschmack hinausgehende Rolle. Vanille und andere Aromazusätze führen grundsätzlich zu Abwertungen bei Single-Origin und Single-Plantation Schokoladen. Detailliertere Bewertungsprofile könnten das Buch aber schnell die 1.000-Seiten-Marke knacken lassen; wer sich an Vanille auch in Herkunftsschokoladen weniger stört, diese z.B. nicht zum Nachschmecken der reinen Kakaosorte kauft, muss selbst versuchen, nachzukalibrieren.
- Die 271 getesteten Hersteller sind für echte Schokoladenfans sehr interessant, aber die meisten potenziellen Käufer werden vermutlich keine Schokolade probieren, von der selbst Bernardini schreibt: „Die Beschaffung war teuer und langwierig. Drei Monate und unzählige E-Mails später bereue ich es nicht.“ (Soma – aus Kanada)
- Zotter. Domori. Lindt. Natürlich – aber Tokyo Chocolate? Shaman Organic Chocolates? Gar: Rózsavölgyi Csokoládé? Gleichzeitig fehlen Konsummarken wie Milka, Ritter und Sarotti, die zwar nicht „fachhandelstauglich“ sind, aber zumindest jeder kennt, und die Bezugspunkte zu den besseren Schokoladen schaffen könnten.
Das sind nicht wirklich Mängel, aber Besonderheiten, die das Buch für den normalen Schokoladefan vielleicht etwas sperrig machen könnten, zumindest stutzen lassen.
Das sagt der Autor
Bernardini ist auf derlei Einwände vorbereitet: „Ich halte es für eine Form von Körperverletzung, Kindern so etwas wie ‚Ja‘-Schokolade zu geben“, so der Autor. „Mir geht es darum, ein Bewusstsein für gute Schokolade zu schaffen – und das beginnt mit hochqualitativen Zutaten.“ Was hat ihn bei der Recherche zu seinem Buch am meisten überrascht? „Ich war erstaunt, wie sehr US-amerikanische Hersteller in den letzten Jahren aufgeholt haben,“ und „in Amerika sind die Hersteller neugieriger, experimentierfreudiger, kennen auch weniger Vorschriften. Aus Amerika werden wir in Zukunft mehr sehen.“ Die Rezeption seines Buchs beschreibt er so: „Die Hälfte der ersten Auflage ist bereits verkauft. Ich habe diverse Zuschriften erhalten, sehr positive, aber auch negative bis hin zu persönlichen Appellen von schlecht bewerteten Unternehmen. Doch nicht einer davon wollte bislang konstruktives Feedback, wie seine Produkte besser werden können – dabei würde ich gern helfen!“
Standardwerk
Georg Bernardini ist mit „Der Schokoladentester“ ein hochkompetentes, gleichzeitig unterhaltsames Buch zum Thema Schokolade gelungen – ein Standardwerk, das die Branche auf Trab und Schokoladenfans beschäftigt halten wird. Nur durch den Eigenverlag kann es derzeit zum sensationellen Preis von €29,95 angeboten werden.
Mein Fazit: unbedingt kaufen, solange der Vorrat reicht!
Alle Bilder und Abbildungen mit Genehmigung von Georg Bernardini.
Hallo, ich finde das Buch nicht gut. Der Herr B. hat nicht wirklich die Kompetenz über alle Schokoladen dieser Welt zu urteilen. Er hat weder ein Panel noch echte Experten befragt sondern still und heimlich in der hemischen Stube verkostet… Das ist seine Meinung, nicht mehr. Wer ein wenig im Netz liest, erkennt sehr schnell warum er nicht mehr in Branche oder bei Coppeneur tätig ist.
T. Junker, subjektiv und von der Tagesform beeinflusst, klar, aber erstaunlich konsistent. Ich vollziehe das Meiste nach, auch wenn ich nicht überall übereinstimme (z.B. bei der Bewertung von Vanille in Herkunftsschokoladen – für mich ein zulässiges Stilmittel) und sich einige Schokoladenrezepturen in der Zwischenzeit bereits wieder verändert haben. Mir sind die Bewertungen auch etwas knapp (aber dagegen gibt’s ja Chclt.net 😉 )
Panelbewertungen haben ihre Vorteile, sie tendieren aber zu weichgespülten Ergebnissen. Das Buch wäre vielleicht ausgewogener, abgesicherter … aber nicht annähernd so unterhaltsam.
@ T. Junker; Sie haben aber die Kompetenz zu behaupten, dass ich nicht die Kompetenz habe, um über Schokoladen dieser Welt zu urteilen? Was sind denn für Sie „echte“ Experten? Wer in der Branche hat eine so langjährige Erfahrung in der Herstellung, dem Einkauf der Rohstoffe bis hin zum Anbau von Kakao und ist absolut unabhängig, um sich objektiv ein Urteil bilden zu können? Nennen Sie mir doch einmal ein paar von diesen „Experten“.
Dazu kommt, dass ich 17 Jahre täglich Produkte (und Rohstoffe) verkostet habe, von Coppeneur und natürlich von vielen Mitbewerbern.
Ich zwinge keinen meine Meinung anzunehmen. Das komplette Buch ist mein Konzept und von mir alleine geschrieben worden. Demnach spiegelt es natürlich meine alleinige Meinung wider, auch wenn die Verkostungen zum großen Teil in einer Gruppe von 4-5 Personen stattfanden. Aber das war auch so von mir gewollt. Meine eigene persönliche Meinung niederschreiben, die ich mit niemandem abstimmen muss. Den Luxus habe ich mir gegönnt.
Niemand muss meine Meinung teilen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass gerade in der Branche sehr viele Experten zum größten Teil meine Meinung teilen.
Anhand von Informationen im Netz können Sie erkennen, warum ich nicht mehr in der Branche, bzw. bei Coppeneur tätig bin? Dann klären Sie mich doch bitte auf, ich kann es nämlich nicht anhand des Netzes erkennen. Anspielungen machen scheint wohl das neue Hobby meiner Kritiker zu sein. Aber ich vergaß, ich bin ja Georg Bernardini persönlich und müsste die Gründe daher aus erster Hand kennen…
@ Peter Berger; Jedem seine persönliche Meinung bezüglich Vanille in Herkunftsschokolade. Ich bleibe jedoch bei meiner Meinung, dass es nicht lediglich ein Stilmittel ist, sondern die Charakteristiken der unterschiedlichen Kakaosorten maßgeblich beeinflusst. Teilweise sind die natürlichen nuancierten Aromen von Kakaosorten in puren Herkunftsschokoladen aufgrund des Einsatzes von Vanille nicht mehr schmeck-, noch definierbar. Aber auch das schreibe ich detailliert und ausführlich in meinem Buch.
Gruß
Georg Bernardini
ein grossartiges buch und ABSOLUT ein muss für jeden schokofreak. dass die „choko générique“ nicht gut wegkommt ist wohl allen klar, die es leid sind blödsinn als schokolade verkleidet zu essen. monsieur bernardini gebührt grosser respekt herr junker und ansonsten würde ich ihnen empfehlen ein besseres buch zu schreiben, damit ihre speziellen kompetenzen im netz sichtbar sind. das warten wir dann mal alle ab 😉 ich habe bereits 480 seiten gelesen und werde es heute wieder zur hand nehmen.
@ decucinaria; Vielen Dank für das Lob und „wow“, 480 Seiten schon gelesen. Das freut mich sehr. Viel Spaß mit den restlichen Seiten. Gruß Georg Bernardini
@T. Junker: Hallo, ich bin ganz Ihrer Meinung. Das Buch ist ganz nett aber die Daten sind schlecht recherchiert worden und es sind sehr viele persönliche Komentare enthalten, die bei einer neutralen Betrachtung nichts zu suchen haben. Auch einige Zitate sind absolut überflüssig…. Des weiteren wird in dem Buch mehfracht folgender Text angegeben: „Nach meinem Wissen oder nach meiner Kenntnis“ … Was sollen solche Aussagen. Warum fragt Herr B. nicht einfach die Firmen und sodann kann man auch Tatsachen ansatt Vermuten niederschreiben.
Na ja… 17 Jahre angebliche Erfahrung haben wohl auch nicht geholfen.
Zum Glück gibt es auch gute Schokoladenbücher.
C. Müller
herr müller, das spricht wohl jemand, der im buch schlecht weggekommen ist oder ;-). wie beurteilen sie denn bitteschön schokolade und was ist eine „neutrale betrachtung“? ich darf ihnen in erinnerung rufen, dass es sich im buch um schokolade handelt und nicht um die „neutrale beurteilung“ von autoreifen. aber ich denke, ganz im stillen wissen sie das. ist es nicht schön, dass man beleidigt sein kann, nicht auf der bestenliste zu stehen? sollten sie es sein, empfehle ich ihnen ganz einfach morgen früh anzufangen bessere schokolade zu produzieren und beim nächsten enttäuschenden kauf von brot oder marmelade, den bäcker oder die herstellerfirma zu fragen, wie sie das so sieht. neutral gesehen, werden die sie bestimmt beruhigen und dann ist alles gut. viel spass beim erleben! ;-)))
p.s. … und ihr satz „17 jahre angebliche erfahrung“ blabla zeigen, dass sie offensichtlich 89 jahre erfahrung haben. aber: wir wissen ja auch, dass in diesem alter die geschmackssinne abnehmen … sagt man. wir zählen auf ihre erfahrung herr müller, und erwarten mit grosser vorfeude ihr buch!
@ C. Müller;
Welche Daten sind denn schlecht recherchiert worden? Warum meinen manche „Leser“, dass sie alles besser wissen? Warum nennen Sie keine Beispiele, zu denen ich Stellung nehmen kann?
Was sind für Sie „persönliche Kommentare“ und warum haben solche Kommentare nichts bei einer neutralen Betrachtung zu suchen? Warum hätte ich auf eine persönliche Einschätzung verzichten sollen? Ich erkenne keinen Grund hierfür.
Welche Zitate sind überflüssig?
Zu „nach meinem Wissen oder nach meiner Kenntnis“; Viele Firmen haben trotz mehrfachem Nachfragen keine Antwort auf meine Fragen gegeben, was eigentlich ansich schon eine Antwort ist. Andere Firmen, wo ich nachgefragt habe, obwohl ich die Antwort aus absolut sicherer Quelle kannte, haben dreist gelogen. Daher, selbst wenn meine kritischen Fragen beantwortet worden wären, hätte ich keine Sicherheit gehabt, dass sie der Wahrheit entsprechen. Es gab zudem einige Hersteller, die überhaupt nicht geantwortet haben…
Die Firma Rausch hat immer behauptet, dass die Angaben zu den Plantagen richtig sind. Komisch, dass wenige Wochen nach dem Erscheinen des Buches zugegeben wurde, dass bei mindestens drei Plantagen gelogen wurde. Glauben Sie wirklich, dass mir Rausch das VOR dem Erscheinen des Buches schriftlich bestätigt hätte???
Sie bezweifeln meine 17jährige Erfahrung? Ich habe da sogar untertrieben und ausschließlich meine Selbständigkeit als Erfahrung gerechnet (die Confiserie Coppeneur wurde im November 1992 gegründet und ich bin aus dem Unternehmen am 30.06.2010 ausgeschieden). Meine Ausbildung habe ich am 01.08.1984 begonnen. Wie Sie sehen können, habe ich acht Jahre Berufserfahrung gar nicht berücksichtigt.
Gute Schokoladenbücher mit diesem Inhalt oder meinen Sie Rezeptbüchern? Wenn Sie einen Guide meinen, dann fangen Sie mal an auch nur ein einziges Buch namentlich zu nennen. Ich bin gespannt, ob das Buch schon geschrieben wurde und im Handel erhältlich ist…
… und ausserdem herr bernardini, sind sie hier nicht in der beweispflicht, sondern herr müller. ihr buch haben wir ja mit freude in der hand, während wir auf jenes von herrn müller wohl noch etwas warten müssen :-). abgesehen davon, ist ein unpersönlicher schokoladentest in sich blödsinn oder wie schmeckt man ohne sinne und emotionen??
Ich kann mich der Rezension von Peter Berger nur anschließen – der Schokoladentester war das Weihnachtsgeschenk schlechthin und wird bei uns zum Standardwerk!
Zu den Kritikern: Ich möchte auch gern wissen, wo es die angeblichen anderen Schokoladenbücher geben soll. Seit dem Buch von Chantal Coady (1998) ist mir nichts vergleichbares mehr untergekommen. Und dass Geschmackstests von einer Person durchgeführt werden ist wohl kaum verwerflich. In der Weinwelt gelten Robert Parker, Stuart Piggot und Gerhard Eichelmann als Referenz. Warum soll es bei Schokolade nicht Georg Bernardini sein dürfen?
Coadys Buch gibt es übrigens auch in einer 2006er Auflage (englischsprachig) – Link hier
Wo kann man denn „Der Schokoladentester“ noch bestellen? Ist die erste Auflage denn schon vergriffen?
Die erste Auflage ist ausverkauft, die zweite wurde gestern geliefert und wird wohl ab nächster Woche im Handel sein. Gruß Georg Bernardini