Das Angebot des Berliner Probier-Startups TRY Foods richtet sich an alle, die die feinen Geschmacksunterschiede zwischen besonderen Nahrungs- und Genussmitteln genauer verstehen möchten, bzw. in zu beschenkenden Freunden und Verwandten solche Neigungen vermuten. TRYs Konzept: eine neutrale Probierbox, darin fünf Warenproben zu einem Lebensmittel sowie ein Booklet mit Verkostungsanleitung und Hintergründen zum Produkt. Gestartet mit Pfeffer- und Kaffee-Probierpaketen, bietet TRY nun auch eine Schokoladen-Box an.
Volumniös
Die weiße TRY-Probierschachtel ist auch für das Verpacken flüssiger Warenproben ausreichend dimensioniert, wirkt für die enthaltenen 200g Schokolade entsprechend sehr luftig. Weiß und neutral – für Schokolade ist das schlichte „Fünf Grand Cru Schokoladen zum Verkosten. Informationen über das sinnlichste Genussmittel“ schon sehr Vibe-frei. Und auch in der Verpackung geht es utilitaristisch weiter: die Schokolade wird nicht in Tafel-, sondern in der Konditoren und Hobbyköchen bekannten Tröpfchen-/Plättchenform geliefert. Alle fünf Schokoladen stammen dabei vom Schweizer Spezialisten Felchlin, dessen Kuvertüren die Basis zahlreicher, auch sehr niveauvoller Schokoladen bilden.
Das Booklet
Auf 60 dicht beschriebenen A6-Seiten gibt TRY-Gründer Jörn Gutowski aus der Perspektive des interessierten Laien einen Überblick von der Geschichte der Schokolade über Verarbeitung und Herstellung hin zur Verkostung sowie einer Vorstellung der enthaltenen Proben. Er stützt sich dabei stark auf die Fachkompetenz von Felchlin-Chefentwickler Sepp Schönbächler sowie von Felchlin bereitgestelltes Informationsmaterial. Zwar kein Hingucker für den Kaffeetisch, gerät das Heftchen so dafür sehr informativ und inhaltsreich. Gelungen, und verdient eine wertigere Aufmachung.
Die Schokoladen
Die von TRY aus Kostengründen gewählte Tropfenform hat Vor- und Nachteile: einerseits fehlt den packpapierfarbenen Beuteln jegliche, selbst avantgardistische Chocolatiers-Romantik, und mit den kleinen, durchgeschüttelten Tropfen ist weder eine Oberflächen- noch Knackprobe durchzuführen. Andererseits haben die abgerundeten, flachen Plättchen eine sehr angenehme Probierform im Mund.
Die Sorten in der von TRY vorgeschlagenen Reihenfolge:
Felchlin Maracaibo, 65%, Criollo, Venezuela, 20h+ Conche
89 Punkte
(enthält Sojalecithin und Vanille)
Duft: Butterbrot, dunkler Toast, würzig, Vanille.
Schmelz: feste Creme.
Geschmack: Deutlich kaffeeröstig, Toast, balanciert, tiefe Schokolade. Zunehmende Frucht mit Orangenschale, englische Orangenmarmelade. Langer Abgang mit Kaffee.
Felchlin Cru Sauvage, 68%, Bolivien, 60h Conche
90 Punkte
Duft: würzig, satt dunkel süßfruchtig, getrocknete Pflaumen, vanillig.
Schmelz: festcremig, voluptuös.
Geschmack: Ohne Bitterkeit, pure Schokolade, zart spitzer Säureeindruck mit Zitrusfrüchten, Anklänge von Trockenobst. Längerer Abgang mit herber Färbung.
Felchlin Arriba, 72%, Arriba/Nacional, Esmeraldas/Ecuador, 72h Conche
88(-) Punkte
(enthält Vanille)
Duft: stark nach Vanille, nur nachgeordnet blumig.
Schmelz: oberflächlich abtauend, feincremig.
Geschmack: Dunkel röstig, wirkt recht süß, kräftige Zitrussäure. Einfache, vor allem herbröstige Kakaonote. Kaffee süßsauer. Trockene Zunge, langer kerniger Röstnachklang.
Felchlin Hacienda Elvesia, 74%, Dominikanische Republik (Bio), 72h Conche
88 Punkte
Duft: Frucht, reife Bananen, Papaya, Kakao, ätherisch/Terpentin.
Schmelz: bereitwillig, buttrig gefügig … viel Kakaobutter.
Geschmack: Früh unbestimmt fruchtig; Tannine von Schwarztee, Tabak. Würzig-säuerlich. Dunkel, aromatisch etwas dünner, Adstringens im Nachklang.
Felchlin Java, 64%, Java (Indonesien), 72h Conche
88 Punkte
(enthält Vanille)
Duft: Dominant geräuchert (Resultat der Bohnentrocknung über Feuer, häufiges Merkmal javanischen Kakaos).
Schmelz: dick, dann schnell verflossen.
Geschmack: Eine Effektschokolade: Rauch und erdiger Kakao, recht süß. Tabakblatt, Kaffee, Fruchtsäure. Kaffee und noch lange Rauch im Mund … wie Kleidung nach einem Lagerfeuer.
Fazit
Die Qualität der Produkte ist durchweg gut, ohne Ausfälle oder echte Überflieger. Mit Felchlin hat TRY einen Partner gefunden, der in typisch Schweizer Schokoladenkultur sehr harmonisch, schmelzbetont, (und als Kuvertürelieferant auch der Pâtisserie) voraussagbar arbeitet. Mit der ‚Cru Sauvage‘ hat TRY auch Felchlins modernen Klassiker ins Paket genommen. Für 200g Felchlin-Kuvertüretröpfchen allein wäre der Preis zwar sehr hoch, aber in Kombination mit dem informativen Booklet passt es.
Klammert man den Räuchergeschmack der „Java“ aus, sind hier aber auch hinsichtlich Qualität, Herstellung, aromatischen Ausbaus usw. fünf sehr ähnliche Schokoladen ausgewählt worden – eben fünf sehr spürbar vom selben Hersteller stammende Sorten. Wenn man diesen sehr schmalen Ausschnitt fälschlich als die geschmackliche Spannbreite hochwertiger Schokoladen begreift, dann würde das frustrierend langweilig und eng wirken. Für ‚Fortgeschrittene‘ wiederum, die eventuell die fünf verschiedenen Ursprünge vergleichen möchten, ist das Paket nicht „rein“ genug, da z.B. Kakaogehalt, Röstung und Conche zu sehr voneinander abweichen, zwei Sorten stark von zugefügter Vanille geprägt, eine dazu mit Sojalecithin versetzt wurden.
Als Geschenk und Anregung ist die TRY-Box bestimmt geeignet und gern genommen, und das Booklet ist informativer als viele Schokoladenbücher in der Buchhandlung. Aber wer mehr über Schokolade verstehen möchte, muss viel breiter probieren. Tipp für den Schenkenden: noch eine Domori und eine Lindt zum Vergleich obendrauf!
Zutaten:
Kakaomasse, Zucker, Kakaobutter, Sojalecithin, Vanille
Ernährungsinformationen:
glutenfrei? | sojafrei? | erdnussfrei? | fairtrade? | bio? |