„Sensationeller Unsinn“ – passt Wein zu Schokolade?

Foto: Wein zur MilchschokoladeEtwas neidisch schaut der Schokoladenfan hin und wieder zu Kaffee oder Wein hinüber: Kollegen und Geschäftskontakte trifft man „auf einen Kaffee“, und abends sind die Freunde „zum Wein“ mit dabei. Ein Stückchen Schokolade ist dagegen vielleicht so kuschelig wie eine gute Tasse Tee, dazu frei von suchterregendem Nervengift (Alkohol), aber manchmal auch ein wenig allein, daheim.

Kein Wunder, dass mancher Schokoladenfan auch zur Party will, und was liegt dann näher, als unsere Schokolade einfach mitzubringen, zum Wein?

Schokolade und Wein – das sagen die Weinexperten

Wir haben einige bekannte deutschsprachige Weinspezialisten um ihre Meinung gebeten, ob wir auf der Weinparty überhaupt willkommen wären.

Jens Priewe, Weinjournalist (Weinkenner.de) und Autor von z.B. „Wein – die kleine Schule“ hält die Gewohnheit für zwanghaft, „zu jeder Art von fester Nahrung eine passende flüssige finden zu müssen“. Er stellt klar, dass er zwar Schokolade für sich gern isst, aber Schokolade zum Wein „nur noch satter und dicker“ mache.
Schokolade und Wein – ein Nein!

Ähnlich knapp sieht dies Helmut O. Knall, Chefredakteur der Wiener Wine-Times: „Ich habe noch nie verstanden, warum man (speziell in Deutschland) Wein dauernd mit irgendwas kombinieren muss, was überhaupt nicht dazu passt […] schlicht und einfach Unsinn.“
Wein ja bitte, Schokolade dazu bitte nein!

Auch Michael Liebert, Sommelier und Wein-Blogger, ist eher abgeneigt: „Einen Abend mit toller Schokolade und einen anderen Abend mit tollem Wein zu verbringen, macht mehr Sinn, als zu versuchen, diese beiden Welten unter einen Hut zu bringen“, und er gibt zu bedenken, dass sich selbst bei noch so gut abgestimmter Paarung die Aromatik von Wein und Schokolade gegenseitig teils überdeckt. Liebert sieht aber Lichtblicke, Beispiel: „Ein Rivesaltes aus dem Südwesten Frankreichs mit dunklen Schokoladentrüffeln…“
Wein immer; Schokolade dazu … ab und an geht das gut.

Paula Bosch, Sommelière, Weinautorin, vielen noch aus ihrer Kolumne in der Süddeutschen Zeitung bekannt, sieht die Kombination locker („Warum nicht?“), aber betrachtet die Paarung vor allem als Herausforderung an die Schokoladen-, und weniger die Weinauswahl. Gut gefällt ihr beispielsweise zu dunkler Schokolade italienischer Amarone, ein schwerer, süßduftiger Wein mit charakteristischer Bitterkeit.
Der richtige Wein, eine gut darauf abgestimmte Schokolade, das passt!

Hendrik Thoma, Master Sommelier und Gastgeber der Video-Wein-Show Wein am Limit, hat bereits „sensationelle Kombinationen“ von Schokolade und Wein verkostet. Insbesondere Portwein, Madeira, Tokaj, Shiraz, Cabernet und schwere Rotweine hält er generell für gut geeignet als Partner von insbesondere dunklen Schokoladen. Wenig hält Thoma von Verbindungen mit den meisten Schaum- und Weißweinen: „Die Fruchtsäure des Weines und die bittere Herbheit [der Schokolade] sind wie Feuer und Wasser“, so Thoma.
Dunkle Schokolade kann mit schweren roten und Dessertweinen wunderbar schmecken.

Die Baden-Württemberger Sommelière, Autorin und Weinberaterin Natalie Lumpp sieht die Kombination „euphorisch“ und sucht das Potential insbesondere in veredelten Schokoladen. Grobes Meersalz, beispielsweise, bringe „oft die Mineralität im Weißwein noch besser zur Geltung. Oder Gewürze, Kräuter, Früchte“ – beispielsweise dunkle Schokolade mit Thymian zu „einem kräftigen Rotwein aus dem Languedoc“ empfiehlt die Genießerin.
Schokolade und Wein, zwei Götterspeisen für sich wie auch in Kombination.

Ähnlichen Enthusiasmus schließlich versprüht Ina Finn, Sommelière, Weinberaterin und Autorin („Weinwissen“), die selbst Wein- und Schokoladen-Seminare anbietet. In der richtigen Paarung seien Wein und Schokolade „wie eine Geschmacksexplosion am Gaumen und mit nichts anderem aus der Geschmackswelt zu vergleichen“. Finn hält das Experimentieren mit verschiedenen reinen Ursprungsschokoladen – am besten Criollo-Kakaos – für sehr lohnend und warnt gleichzeitig vor zu schwachen Weinqualitäten: „Die Schokolade betont dann im Wein besonders die Säure und/oder den Gerbstoffgehalt. Die Weine wirken unangenehm trocken und hart.“ Probiertipp der Kennerin: eine hervorragende dunkle Schokolade von mindestens 85% Kakaogehalt, mit Lardospeck umwickeln, und dazu guten, süßen Sherry.
Schokolade und Wein – eine Traumkombination, die zum Probieren einlädt.

Schokolade und Wein – Eberhard Schell schreibt auf Chclt.net

„Unsinn“ oder „sensationell“ – nicht jeder hält gleich viel von dieser ungleichen Paarung. Und wer ohnehin keinen Alkohol oder keinen Wein trinkt, sollte dies unbedingt beibehalten: feine Schokolade schmeckt noch immer am allerbesten ganz alleinstehend für sich, frei von giftigen Rauschmitteln, versprochen!

Aber einige Weinexperten, die sich ein wenig mit der Materie beschäftigt haben, können wenigstens von einigen Kombinationen von Wein mit Schokolade berichten, die auch ihnen gefallen haben.

Wir wollen für die Weinfans unter uns in die Tiefe gehen. Wir begrüßen Eberhard Schell – Buchautor und Macher hinter der Schell Schokoladenmanufaktur sowie Deutschlands bekanntester Kopf zum Thema Schokolade und Wein – als neuen Autor auf Chclt.net. In einer Artikelreihe erklärt Schell systematisch, wie er Schokolade mit Wein verkostet, auf welche Aromen er zu achten empfiehlt, und welche Kombinationen er ans Herz legen möchte.

Weinfans dürfen mitprobieren!


Schokolade und Wein – die Serie mit Eberhard Schell auf Chclt.net:

  1. Schokolade und Wein
  2. Wie man Schokolade mit Wein verkostet
  3. Die Aromen von Wein und Schokolade
  4. Schokolade und Weißwein
  5. Schokolade und Dessertwein
  6. Schokolade und Rotwein
4 comments on “„Sensationeller Unsinn“ – passt Wein zu Schokolade?
  1. Martin Kruckau sagt:

    Der eine denkt vielleicht an einen sauren Pinot Grigio und sagt „Schokolade passt dazu nicht“ während der andere süssen Sherry nimmt. Ebenso gibt es ja weisse oder 99%-Schokolade. Ich nehme einen schweren spanischen Rotwein und dazu eine gute Bitterschokolade, mindestens Lindt: Like/Gefällt mir!

  2. Yoyo sagt:

    Ich wurde inzwischen einige Male zu Schokoladen-Weinverkostungen genötigt und stimme Michael Liebert zu. Mal passt das vielleicht ganz okay zusammen, aber der Lacmustest ist doch der, ob man wirklich einen tollen Bordeaux 30 Euro [oder je nach Geldbeutel natürlich mehr] aufwärts für so eine Verkostung opfern würde??

    Ich denke, eher nein. Umgekehrt sehen das die Schokoladenfans sicher genauso.

    Einen Weinabend, einen Schokoaband, zack zweimal Spaß

  3. mellus sagt:

    „Einen Weinabend, einen Schokoaband, zack zweimal Spaß“ … dem gibt es nichts hinzuzufügen.

  4. Gerd Ressle sagt:

    Das klingt nach einer wirklich interessanten Artikel-Reihe. Wir sind schon gespannt.