In unserer Reihe zum Verkosten von Schokolade und Wein gelangen wir nun zum Klassiker: den Süß- und Dessertweinen. Kann man bei dieser Kombination überhaupt etwas verkehrt machen? In jedem Fall gibt es gute, bessere, und Traumkombinationen.
Süßweine und Dessertweine
Die breite Palette an köstlichen Süßweinen passt nicht nur zu Edelschimmelkäse oder Gänseleber. Fast jede Weinbauregion der Welt hat einen besonderen Süßwein, das Angebot ist sehr groß. Die verwendeten Rebsorten, weiße wie rote, sind unterschiedlich, meist handelt es sich um Weißweine, oft um Bukettsorten. Die Muskatellerrebe mit ihren vielen Zweigen taucht sehr häufig auf. Der Ausbau der Süßweine ist sehr unterschiedlich was Lagerung und Fasswahl betrifft. Das Spektrum reicht von verschiedenen Hölzern wie Kastanie bis hin zu der Reifung in Gletschern(!) oder dem Verschnitt mehrerer Traubensorten.
Es gibt die natürliche Süßweine, die ohne Zusatz von Zucker oder Abstoppen der Alkoholbildung hergestellt werden. Dazu gehören alle in Deutschland und Österreich hergestellten Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen, die durch hohen Reifegrad und Bildung von viel Zucker sowie Austrocknen der Traubenbeeren am Stock durch Wasserverdunstung gewonnen werden. Eine zusätzliche Variante ist die natürliche Unterstützung des Edelschimmelpilzes „Botrytis cinerea“, der sich auf der Beerenhaut niederlässt, sie durchstößt und dadurch das Wasser verdunsten lässt. Die Botrytis bringt dazu eine spezielle Aromatik in die Weine ein. Ganz berühmte Vertreter dieser Spezies sind die Sauternes aus dem Bordelais in Frankreich, ebenso der Vin Jaune aus dem ostfranzösischen Jura, der durch seine mindestens sechs Jahre und drei Monate dauernde Lagerung in Barriques sein ganz eigentümliches Aroma erhält.
Dann gibt es noch die Eisweine, die in Deutschland bei mindestens -7° Celsius geerntet werden müssen, damit das Wasser in den Beeren gefriert, um dann über eine stundenlange Pressung der Trauben nur den Extrakt zu erhalten. Das Wasser in den Beeren bleibt als Eisklumpen in der Presse zurück. Es ist selbstverständlich, dass die Erträge dieser Weine äußerst gering sind und ihr Preis dementsprechend hoch.
Eine weitere Möglichkeit sind die so genannten „Strohweine“. Dafür werden die Trauben auf Darren, oft auf Strohmatten (daher auch der Name) angetrocknet. Dabei verdunstet das Wasser, der Extrakt konzentriert sich automatisch in der Traube. Durch Abpressen dieser verschrumpelten Beeren ergibt sich ein meist süßer und sehr intensiver Wein. Solche Strohweine sind Vino Santo aus der Toscana, Caluso Passito aus dem Piemont oder der berühmte Amarone aus Venetien. In Österreich, speziell am Neusiedler See, spricht man auch von Schilfweinen, da die Trauben bis zu drei Monaten auf Schilfmatten trocknen.
Eine weitere Möglichkeit ist der Vin Doux Naturel. Das ist vollreifes Lesegut, dessen Gärung mit reinem Weingeist (96 Prozent Alkohol) abgestoppt wird. Dadurch behalten die Weine ihre angenehme Süße und ihr fruchtiges Geschmacksbild. Am bekanntesten sind die Banyuls aus dem Roussillon, sie bestehen zu mindestens 50 Prozent aus der Rebsorte Grenache und aus verschiedenen Weißweintrauben. Wie bei der deutschen Beerenauslese schrumpfen die Trauben am Stock rosinenartig zusammen, die Gärung wird so abgestoppt, dass der Alkoholgehalt zwischen 15 und 22 Prozent Alkohol liegt und die natürliche Süße der Weine erhalten bleibt. Auch der Muscat de Rivesaltes gehört zu dieser Kategorie, ebenso Samosweine oder Mavrodaphne aus Griechenland, Marsalla aus Sizilien, Commandaria aus Zypern und die wohl berühmtesten Weine Portugals, die Portweine, die jedoch mit aromafreiem 77-prozentigem Branntwein gespritet werden. Nicht vergessen werden dürfen ihre Verwandten aus Madeira, die es aber auch wie Sherrys in trockenen Varianten gibt.
Die Sherrys aus Spanien werden erst nach der Vergärung mit Alkohol aufgespritet. Dieses Verfahren der Spritung (Zugabe von Reinalkohol) wurde zuerst wegen der längeren Haltbarkeit des Weines eingesetzt. Sherrys sind zunächst trocken, ihre Süße erhalten sie durch den Zusatz konzentrierter Weine vornehmlich der Sorten Moscatel und Pedro Ximenez.
Natürlich gibt es auch Spielarten wie den ungarischen Tokaji Aszu, bei der dem schon fertigem Grundwein, meist Muskateller, eine bis sechs Puttony (Bütten) eines süßen Weines zugesetzt werden.
Ein Vertreter der italienischen Rotweine des Valpolicellagebietes ist der Amarone, der aus getrockneten Trauben verschiedener roter Rebsorten keltert werden darf. Es gibt zwei Varianten: den Recioto mit seiner wuchtigen Süße und den trockenen Amarone. Beide haben eine bitteren Abgang, nicht umsonst bedeutet das italienische Wort „amaro“ bitter. Der Amarone hat durch die langsame Gärung meist einen Alkoholgehalt von 14 bis 16 Prozent.
Und auch der dalmatinische Prosek sowie die 16 Typen des Malagaweins werden als Süßweine von Genießern sehr geschätzt..
Welche Schokoladen zu Süßweinen?
Die perfekten Partner von Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen sind einerseits Dunkle Schokoladen zwischen 70 bis maximal 90 Prozent Kakaogehalt. Andererseits kann die Kombination mit weißen Schokoladen, gar mit einem Anteil an Safran oder Curry, alle Geschmackssinne beflügeln. Bei Eiswein darf es etwas leichter werden – Weiße Schokolade allenfalls mit leichtem exotischem Gewürz passt ideal; fein aromatische Dunkle Schokoladen mit 65 bis höchstens 85 Prozent Kakaoanteil eignen sich ebenfalls wunderbar. Alle internationalen Süßweine, die deren Charaktereigenschaften teilen, darf man gleich behandeln. Dazu gehören Sauternes wie auch Stroh- oder Schilfweine. Diese Weine zeichnen sich oft durch eine sehr ausgeprägte Fruchtnote mit einer schönen Säure aus, womit die oxidativ ausgebauten Weine wie Sherry in dieser Form nicht dienen können. Dadurch ist die Frucht in diesen Weinen oft sehr schön und vielschichtig. Man darf sich bei der Wahl der Schokolade ruhig einiges zutrauen. Weiße Schokoladen, auch mit Gewürzen, sind eine Geschmacksentdeckung, da sich Süß und Süß nicht potenzieren, sondern aufheben und dadurch eine köstliche Geschmacksharmonie eingehen.
Gewürze unterstreichen oft auch die sehr exotischen Noten dieser Weine. Gleiches gilt für edelherbe Schokoladen bis zu einem Kakaoanteil von 70 bis 80 Prozent. Die Kakaosäure darf hier schon etwas ausgeprägter sein. Auch edelherbe Schokoladen mit gerösteten Kakaobohnen bringen viel Spannung in die edelsüßen Kombinationen. Toll harmonieren Lagenschokoladen aus mexikanischen und peruanischen Bohnen, weil diese ebenfalls viel Frucht und Kakaoaromatik sowie einen Kick Säure besitzen. Lagenschokoladen aus afrikanischen Ländern wie Tansania oder Uganda eignen sich ebenfalls sehr gut dazu, da sie Dichte und dennoch ein interessantes Säurespiel mitbringen, was sich mit vielen der süßen Weine ganz gut vereinbaren lässt.
Bei Eisweinen vom Riesling ergänzen sich auch Milchschokoladen mit Salzanteil perfekt.
Vins Doux Naturel sind, wie angedeutet, vollkommene Schokoladenweine. Ein Muscat de Rivesaltes mit seinen feinen Aromen nach Litschi, Pfingstrosen und Orangenblüten in Kombination mit einer Santo Domingo 70-Prozent-Schokolade mit halbkandierten Orangenschalen und etwas Haselnusskrokant – das ist fast so schön wie Weihnachten und Ostern zusammen! Die Aromen von Schokolade und Wein jagen einander in die Höhe. Ein himmlischer, ja beinahe erotischer Genuss. Ein perfekteres Gespann kann ich mir nicht vorstellen.
Wenn der Wein zwischen zehn und 30 Monaten in Eichenfässern reift, entwickelt sich eine Geschmacksmischung aus Nüssen, Schokolade, Pflaumen und Dörrobst. Im Abgang erscheinen diese Weine wesentlich trockener als sie in Wirklichkeit sind. Zum Banyuls passt am besten eine intensiv schmeckende Schokolade mit hohem Kakaoanteil. Meine Empfehlung: Eine Lagenschokolade aus Sao Tomé mit 72 Prozent Kakaoanteil. Dieser Wein verträgt allerdings auch einen Kakaoanteil bis zu 88 Prozent. Wichtig ist allein, dass der Wein mit Süße und ordentlichem Alkoholanteil ausgestattet worden ist.
Portweine sind Klassiker als kongenialer Kompagnon der Schokolade. Hier kennen wir ebenfalls verschiedene Qualitäten und vor allen Dingen auch die ältesten staatlich regulierten Qualitätsgebiete der Weinwelt. Das Anbaugebiet ist das Durotal im Norden Portugals mit der Stadt Porto. Es gibt weiße und rote Portweine. Rund 80 verschiedene Traubensorten dürfen den wohlklingenden Namen tragen. Die Qualitäten teilen sich grob auf in Ruby, Tawny, Late Bottled Vintage und letztlich dem Vintage Port (Jahrgangsport) als der besten Qualität, der nur dann hergestellt werden darf, wenn die Prüfungskommission ihren offiziellen Segen erteilt hat. Portweine haben ein intensives Aroma nach Süßkirsche und Kirschwasser, oft nach Schokolade, Karamell, Vanille und Gewürzen bis hin zu Zitrusschale. Sie sind mit Wärme, Körper und Fülligkeit reich versorgt. Zu dieser Kraftbombe passt etwas Grandioses. Mein Freund, der Sommelier Guntram Fahner, hat mir die sensationelle Kombination mit einem Vintage oder Late Bottled Vintage gezeigt: Am besten eine 100-Prozent-Schokolade wie die il 100% von Domori, oder eine Arriba 100% aus feinstem Edelkakao, oder eine sonstige hochprozentige edelherbe Schokolade nicht unter 85 Prozent Kakaoanteil. Der extreme Kakaoanteil irritiert die Geschmacksnerven, aber die Fülle und Frucht des Portweines holt die Schokolade zurück und ergibt eine Harmonie, die man nicht missen möchte. Die Sinne werden verwirrt, vielleicht auch ein wenig gequält, um dann in Verzückung zu geraten. Erst fühlt man sich wie in der Hölle, findet sich letztlich aber doch im Himmel wieder.
Schokolade und Wein – die Serie mit Eberhard Schell auf Chclt.net:
- Schokolade und Wein
- Wie man Schokolade mit Wein verkostet
- Die Aromen von Wein und Schokolade
- Schokolade und Weißwein
- Schokolade und Dessertwein
- Schokolade und Rotwein