Über Weniges herrscht unter Schokoladenkennern eine größere Einmütigkeit: nichts hat auf den Geschmack von Schokolade einen größeren Einfluss als die Qualität des verwendeten Kakaos. Sicherlich kann in der Weiterverarbeitung noch vieles falsch gemacht werden, aber aus minderwertigem Kakao wird keine hochwertige Schokolade mehr.
Qualität: Im Welthandel wird zunächst zwischen Konsumkakao („bulk cacao“) und Edelkakao („fine or flavour cacao“) unterschieden. Hierbei wird rein nach der allgemeinen Qualität der Kakaosorten vorgegangen, nicht nach individueller Qualität der Chargen: Forastero-Kakao ist immer Konsumkakao; Criollo, Trinitario und Arriba/Nacional werden grundsätzlich als Edelkakao klassifiziert. Die Internationale Kakao-Organisation ICCO geht derzeit von einem Edelkakao-Weltmarktanteil von 6,4% aus.
Konsumkakao: Forastero
Mit Blick auf Angebot und Marktpreise kann man generalisieren: wird auf einer Schokolade nicht gesondert auf Edelkakao, eine bestimmte Anbauregion oder Kakaosorte hingeweisen, muss man davon ausgehen, dass der verwendete Kakao Forastero-Kakao ist. Die Bauern der heute mit Abstand größten Kakaoanbauregion der Welt, Westafrika, bauen ausschließlich Forastero-Kakao an und erzeugen alleine etwa zwei Drittel des weltweiten Kakaoangebots.
Forastero ist die am wenigsten aromatische, dafür widerstandsfähigste und mit Abstand ertragsstärkste Kakaosorte. Der Vergleich zum ertragsstarken, aber weniger feinen Robusta-Kaffee drängt sich hierbei auf. Das spanische Wort „Forastero“ bedeutet „Fremdling“ – in Abgrenzung zu „Criollo“, dem „Einheimischen“. Heute geht die Forschung allerdings zunehmend davon aus, dass Forastero die ursprünglichere Sorte ist. Die Forastero-Früchte sind meist gelblich mit eher rötlichem Fruchtfleisch und flachen Bohnen.
Schokolade aus Forastero-Kakao schmeckt ursprünglich, körperreich, schokoladig mit Betonung auf allenfalls herben, auch adstringierenden Noten: Kaffee, Nuss, Tabak, Leder. Schlecht fermentiert können Säuren überhandnehmen. Tendenziell bieten Ghana und São Tomé und Príncipe bessere Forastero-Qualitäten, aber allgemein hält Forastero-Kakao nicht mit den intensiven und verspielten Aromen der Edelkakaosorten mit.
Edelkakao: Criollo
So unbestritten wie Forastero üblicherweise der aromatisch einfachste Kakao ist, ist Criollo die edelste Kakaosorte. Weiterhin herrscht in der Forschung aber Uneinigkeit, ob es „reine“ Criollos überhaupt gibt, oder ob die heute bestehenden Plantagen nicht vollständig aus Rückzüchtungen bestehen. Ein empfindliches Gewächs, spielt Criollo selbst innerhalb der kleinen Mengen produzierten Edelkakaos nur eine untergeordnete Rolle: selbst die am Weltmarkt erzielbaren Preise für Criollo ab etwa dem Zweieinhalb- bis Dreifachen von Bulk-Konsumkakao spiegeln nicht ausreichend die geringe Ertragsstärke der Pflanze.
In allen Anbauregionen ist Criollo deshalb ein untergeordnet vorkommender Kakao, allenfalls in Venezuela (rein z.B. in den Regionalsorten Canoabo, Ocumare, Sur del Lago vertreten), Mexiko und Peru spielt er mehr als eine Nischenrolle. Criollo-Früchte sind gelb, orange oder rötlich. Eine Sonderform ist die hochpreisige Variante Porcelana (Venezuela, Mexiko), die ihren Namen ihrem glänzenden Äußeren und ihren weißlichen Bohnen verdankt.
Man muss sich in Criollo hineinschmecken! Gute Criollo-Schokolade beeindruckt durch einen facettenreichen Geschmack, und es ist die Kunst guter Chocolatiers, durch Röstung und Ausbau des Kakaos hier die Richtung des Geschmacksspektrums zu bestimmen. Tendenziell ist Criollo gering adstringierend, hat weiche, rahmige und nussige Aromen, Noten von Trockenfrüchten. Reine Criollo-Schokoladen sind selten und bis auf Ausnahmen nur im Fachhandel erhältlich.
Edelkakao: Trinitario
Die Trinitario-Kakaopflanze entstand im 18. Jahrhundert auf Trinidad als Kreuzung aus Criollo und Trinitario-Kakaos – daher der Name „Trinitario“. Auch heute ist Trinitario im Karibik-Raum, dazu Venezuela und weltweit bis Papua Neuguinea verbreitet. Eine Sonderstellung nimmt die Insel Madagaskar ein, auf der Trinitario der dominante Kakao ist und die Grundlage für fruchtig-säuerliche Schokoladen mit hohem Wiedererkennungswert bildet.
Trinitario ist heute der meistangebaute Edelkakao, die Kombination aus aromatischer Tiefe und Widerstandsfähigkeit ist wirtschaftlich tragfähig. Trinitario-Pflanzen tragen charakteristisch rot-lilafarbene Früchte. Bekannte Regionen und Untersorten, hinter denen reiner Trinitario steht, sind z.B. Carenero Superior (normaler Carenero ist eine Mischung aus Trinitario und Forastero), Carúpano/Rio Caribe, Guaribe, Sambirano oder Sanchez.
Aromatisch ist auch Trinitario-Schokolade stets eine Kombination aus Bohne, Terroir und Ausbau, aber tendenziell ergibt Trinitario würzige, vielseitige, häufig fruchtig-säuerliche, auch tanninige Schokoladen. Eine Madagaskar-Schokolade wie z.B. Valrhonas Manjari gibt einen guten Einstieg in charakteristischen Trinitario.
Edelkakao: Nacional (Arriba)
Schon der Name „Nacional“ könnte unterstreichen, wie ernst Ecuador das Thema Kakao inzwischen nimmt: die Kakaosorte Nacional ist eine Besonderheit des Äquator-Staates, in dem Kakao wirtschaftlich an Bedeutung und Beachtung gewinnt. Genetisch wird Nacional-Kakao meist als aromatische Forastero-Unterart klassifiziert, neuerdings allerdings eher als dem Criollo verwandt gesehen.
Die Pflanze ist eine mittel widerstandsfähige und ertragreiche Kakaosorte, die auch äußerlich dem Trinitario ähnelt und im Anbauland inzwischen durch die Verbreitung der Forastero-Züchtung „CCN 51“ bedroht wird: einem klassischen Konsumkakao. Da Kleinbauern den Kakaoanbau Ecuadors prägen und Chargen ecuadorianischen Kakaos entsprechend stets aus vielen Quellen stammen, können nur Schokoladenhersteller mit viel Einsatz vor Ort hoffen, tatsächlich an reinen Nacional-Kakao zu kommen.
Da Nacional-Kakao fast ausschließlich in Ecuador angebaut wird, wird „Nacional“ synonym zu „Arriba“-Kakao (deutsch: „oben“, „hoch“, „hinauf“) verwendet – der eigentlich eine auch aromatisch ortstypische Prägung des Nacional-Kakaos ist. Arriba hat einen blumigen, dunklen, gleichzeitig milden Geschmack. Selten ist Arriba säuerlich. Arriba-Schokoladen werden meist mit höherem Kakaoanteil – 75% aufwärts – ausgebaut und sind in breiter Auswahl und charakteristischer Geschmacksausprägung gut im Handel verfügbar.
Die Wirklichkeit ist bunt
Soweit die Theorie, die Realität ist vielschichtiger. Kakao wächst im Freien, teils wild, meist mit unklarem Ursprung. Die von den örtlichen Kakaobauern geernteten Mengen sind in vielen Ländern Mischungen unterschiedlicher Kakaosorten. Oft macht das einen Teil des Reizes bestimmter Kakaoregionen aus – ein Beispiel ist die berühmte Region Chuao in Venezuela, deren Kakaomix nicht vollständig aus Edelkakao besteht, aber dennoch am Weltmarkt Preise jenseits reiner Criollos erzielen kann. Die International Cocoa Organization ICCO veröffentlicht regelmäßig einen Überblick, zu welchem Anteil an den Produktionsmengen der unterschiedlichen Herstellerländer von Edelkakao ausgegangen werden kann – und zu welchem Anteil diese Länder ihren Kakao als Edelkakao klassifiziert in den Export bringen dürfen.
Einigen Schokoladenmachern gelingen aus sorgfältig an- und ausgebauten „Konsumkakao“-Sorten fantastisch charakterstarke Schokoladen, während andere mit Criollo und Forastero nur Mittelmaß erzeugen. Gut, dass es so viel Spaß macht, sich durch die Herkunfts- und Sortenschokoladen der guten Schokoladenhersteller zu probieren!
Quellen u.a.:
Georg Bernardini: „Der Schokoladentester“
Clay Gordon: „Discover Chocolate“
Maricel E. Presilla: „Schokolade“